Geschichten aus dem Tauf-, Ehe- und Totenregister der Pfarrei Glis 1624-1869

Tot in den Matterbergen

2 Zeilen im Gliser Sterberegister von Kaplan Schlunz – eine Tragödie in den Zermatter Bergen

in monte an dem Matterbärg obierunt hoc mense (im Gebirge an dem Matterberg starben diesen Monat): Bartholomäus Perrig, Antonius Lambien, Joannes Schalbetter, Bartholomäus Balmer, Martin Zenhüsern, Joannes Zenhüsern

Hinter diesen zwei kurzen Zeilen von Kaplan Bonifaz Schlunz in seiner Abschrift vom Gliser Kirchenbuch versteckt sich eine ganze Tragödie. Wer waren diese Männer?

Alle ihre Namen bis auf den von Bartholomäus Balmer habe ich den Taufbüchern der Abschrift von Kaplan Schlumpf gefunden:

Bartholomäus Perrig 18. 8. 1648 Sohn des Christof und der Maria Albrecht
Antonius Lambien 3. 12. 1649 Sohn des Joannes und der Maria Belzer
Joannes Schalbetter 8. 2. 1650 Sohn des Moritz und der Christina Gasser
Bartholomäus Balmer
Martin Zenhüsern 15. 11.1646 und Joannes Zenhüsern 27. 4. 1651 Söhne des Theodul und der Maria Biger

Sie waren also alle zwischen 18 und 23 Jahre alt.

Laut dem Inventar Historischer Verkehrswege der Schweiz verunglückte 1669 Anton Lambgin mit 5 Genossen am Theodulpass. Das Ziel der 6 Wanderer war also sicher Norditalien.

Der Tod dieser jungen Männer im Zermatter Gebirge lässt viele Fragen offen, zu denen es keine klaren Antworten nur Vermutungen gibt:
Was wollten die 6 Wanderer in Norditalien oder am Theodulpass?
Glaubten sie der Übergang vom Theodulpass sei noch so leicht wie 300 Jahre früher, als er noch häufig begangen wurde?
Wollten sie sie sich in fremden Diensten anheuern lassen?
Wollten sie im Auftrag den Übergang erkunden? Sollte das Monopol vom Simplon und von Stockalper umgangen werden?
Wollten sie in Italien Schmuggelware holen?
Wieso kamen alle 6 ums Leben?  Gerieten sie in eine Lawine, einen Steinschlag oder in ein Unwetter?

2025 – Othmar Kämpfen

Johanneli Fii

Ich heissu Johanneli Fii
Bi zer Tafernu Wirti gsii
Hä Wasser üssggä fer Wii
Müos jetz in de Chaltu Wassru sii

Di Taverna:

Das Gebäude der Taverna befindet sich am Taferbach. Der Türsturz trägt das Datum 1684. Der Bau wurde also in der Zeit fertiggestellt, als Kaspar Stockalper in Domodossola im Exil war (1681 – 1685).  Sicher hatte der Tavernabau einen Vorläufer, der von noch mehr durchziehenden Gästen genutzt wurde. Die Datierungen am Stockalperweg stammen aus früheren Zeiten zwischen 1660 und 1670. Wahrscheinlich waren die Ballenführerzüge in den späten Jahren Stockalpers auch nicht mehr so zahlreich wie in den Glanzzeiten, als am Stockalperweg sehr reger Betrieb herrschte. Die Taverna ist ein mächtiges Gebäude aus Stein nach südlichem Muster. Das massive Steindach passt dazu. Im Gebäude entspringt eine Quelle, die an der Vorderfront austritt.

Ihre Erbauer und Bewohner:

Wer die Taverna erbaut hat oder hat erbauen lassen, ist nicht bekannt, auch nicht wie stark Stockalper an diesem Bau beteiligt war. Nach der mündlichen Überlieferung war Johanneli Fii „u Chempfja“, also aus einer Familie Kempfen. Sucht man in den Pfarrbüchern von Glis und in einem Stammbaum der Familie Kämpfen aus dem Jahre 1855 nach, trifft man in der Stockalperzeit auf die Familie Bartholomäus Kempfen. Bartholomäus Kempfen kam am 27. November 1646 als Sohn des Georg Kempfen und der Maria Stockalper wahrscheinlich im Holzji zur Welt. Sicher war Bartholomäus durch seine Mutter mit dem Grossen Stockalper verwandt. Mit grosser Wahrscheinlichkeit war sie sogar dessen Schwester und so eines der weiteren 4 Kinder, voraussichtlich Töchter, die auf dem Stammbaum Stockalpers bei seinem Vater Peter aufgeführt werden. In einem Internetdokument wird Kaspar Stockalper sogar fälschlicherweise als Pate des Bartholomäus aufgeführt. Pate des Bartholomäus war laut Taufregister von Glis (Abschrift von Kaplan Alois Bonifaz Schlunz) Kastlan Johannes Owlig. Auf die Verwandtschaft des Bartholomäus mit Stockalper hinweisen könnten die vornehmen Paten seiner Kinder. So standen sowohl Barbara Stockalper als auch ihr Ehemann Christoforus Manhaft ihnen zu Gevatter. Besonders fällt der Pate Dominus illustris Petrus Supersaxo Theologiae Doctor Pfarrer von Naters auf. Bartholomäus war zweimal verheiratet. Mit seiner ersten Frau Maria Perrig hatte er zwei Söhne: Johann Anton, geboren am 9. Februar 1677, Stammvater der Briger Kämpfen und Johann Bartholomäus, geboren am 4. September 1674, Urvater des Brigerberger Stammes. Seine zweite Frau, Petronella Summermatter, schenkte ihm drei Söhne: Johann Josef, geboren am 20. Oktober 1684, Franz Georg Ignaz, geboren am 1. Mai 1687 und Peter Anton, geboren am 30. Juli 1694. Im Stammbaum werden nur die Söhne der Familie aufgeführt. Interessant für die Taverna sind aber zwei der Töchter: Anna Maria, geboren am 13. November 1666, war wahrscheinlich die erste Tavernawirtin, sie starb am 24. Februar 1696. Im Totenregister der Pfarrei Glis heisst es ausdrücklich Zer Tafernen. Interessant ist besonders das jüngste Töchterlein Johanna Maria, geboren am 6. August 1697, also wahrscheinlich ds Johanneli Fii. Sie hatte vornehme Paten: Dominus Manhaft Christoforus, der Schwiegersohn Stockalpers, und Domina Gasser Maria. Johanna war wahrscheinlich das jüngste Kind der Familie, ihre Mutter Petronella starb am 23. Juni 1699, als das Mädchen noch nicht 2 Jahre alt war. Mit 7 Jahren verlor Johanneli auch ihren Vater. Bartholomäus Kempfen starb am 9.(?) Februar 1704. Wann und wie lange Johanneli in der Taverna Wirtin war, wissen wir nicht genau. Wahrscheinlich begann ihr Wirtinnendasein zwischen 1715 und 1720. Aus dem Verkleinerungsnamen Johanneli kann man mit gewisser Wahrscheinlichkeit schliessen, dass sie eher jung starb und als Johanneli in d Chaltu Wasser kam.

Wahrscheinlich war das Wirtdasein in der Taverna nach Stockalper nicht mehr das lukrative Geschäft. Handel und Verkehr über den Simplon liessen nach dem Ableben Stockalpers stark nach. Der letzte Wirt in der Taverna wird von Robert Céard. dem Sohn von Ingenieur Nicolas Céard, in „Souvenir des travaux du Simplon“ beschrieben. Es war ein alter, bärbeissiger ehemaliger Soldat, der auch den Arbeitern an der Simplonstrasse Getränke und Esswaren verkaufte. Sein Wirteleben fand ein tragisches Ende. Er und sein Freund wurden von einem Mineur, Arbeiter an der Simplonstrasse, der seine Essensschuld von 3 Francs nicht bezahlen wollte, erstochen (d’un coup de poignard).

Zusammengestellt von Othmar Kämpfen

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